Die Chronik vom Jahr 1952

Als am 22.Dezember nach Aufhebung einiger Kontrollratsbeschlüsse der Deutsche Marinebund in das Vereinsregister des Amtsgerichtes Wilhelmshaven neu eingetragen wurde, konnte die Tätigkeit des am 26.6.1891 gegründeten Bundes Deutscher Marinevereine e.V. endlich wieder offiziell aufgenommen werden.

Zu dessen Aufgaben hatte immer die Förderung des Gedankens der Seefahrt und der Seegeltung, das Wecken des Verständnisses für die See und die Mitarbeit in der Erziehung und Ausbildung der Jugend zu verantwortungsbewußten Staatsbürgern unter Pflege von Kameradschaft und Vaterlandsliebe, sowie die Pflege der Marinetradition und Geselligkeit gehört. Auch hier in Ratzeburg hatten sich nach den Wirrnissen des Kriegsendes und nach der Entlassung aus Kriegsgefangenschaft wieder einige Marineangehörige zusammengefunden, um sich zunächst in unregelmäßigen Abständen zu Besprechungen und Klönschnacks zu treffen. Da allgemein große Ratlosigkeit herrschte, erhielt man im Kameradenkreis so manchen Tip, um sich in der neuen Zeit besser zurechtzufinden. Jeder hatte seine Probleme und es dauerte Jahre, bis man alles, was man erlebt hatte, innerlich verarbeitet hatte.

Der Selbsterhaltungstrieb der Menschen, die politische Arbeit alter und neuer Parteien, und die Vernunft führender Politiker einiger Siegermächte ermöglichten ab 1949 schließlich neues staatliches Leben und damit langsame Rückkehr zu geordneten Verhältnissen; leider in einem geteilten Deutschland.

Kptl. a.D. Dr. Will! Schlüter war es, der die interessierten ehemaligen Marineangehörigen aller Dienstgrade in der „Domfähre“ beim Kameraden Julius Behrendt Anfang 1947 zusammenführte und trotz Verbotes solcher Vereinigungen unter der Bezeichnung „Stammtisch Blau“ den alten Marine-Verein fortzusetzen versuchte.

Kamerad Schlüter war schon 1935 Mitglied des Ratzeburger Marine- Vereins geworden, und unter seiner Leitung trafen auch die ehemaligen Kameraden Voß, Schwarz, Göttsche, Neubauer, Bergmann, Beumelburg, Behrendt und Kröger wieder hinzu.

Es kamen aber auch neue Marinekameraden hinzu, die die Flucht hierher verschlagen hatte, z.B. Franz Schünemann aus Stettin und Ernst Rohde aus Danzig. Auch Gerhard Globert als alter Fahrensmann und Berthold Rohweder, beide aus Ratzeburg, traten dem Stammtisch bei. Schünemann war Handelsschiffsoffizier und seit 1928 im Deutschen Marinebund. Da zu dieser Zeit Jule Behrendt wegen Krankheit die „Domfähre“ aufgab, traf man sich in der nächsten Zeit im alten „Nordischen Hof“, wo man sich schon- ab Nov. 1926 immer getroffen hatte. Hier nahm man auch einige Bilder entgegen, die dem Verein aus der Vorkriegszeit gehörten und das Kriegsende sowie die Beschlagnahme des Hauses durch die Engländer überdauert hatten. Flagge und Schrank sowie andere Gegenstände waren leider nicht mehr auffindbar. Man hatte damals aber auch andere Sorgen als sich um solche Dinge zu kümmern. Man war froh, den Krieg überlebt zu haben. Jetzt galt es, die Nachkriegszeit zu überstehen! So wurden die Kameradschaftstreffen auch dazu benutzt, Informationen über die Rechte zu erhalten, die sich jeder mit seiner Dienstzeit bei der Marin als Reservist oder als Berufssoldat erworben hatte.

Kamerad Schlüter war als Landrat a.D. der geeignete Verwaltungsfachmann, der vor allem den § 131 des am 23. Mai 1949 erlassenen Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland verständlich interpretieren konnte und jedem mit Ratschlägen den richtigen Weg zu beschreiten half. Außerdem half er auch vielen Ratzeburgern und Flüchtlingen bei der Suche nach vermißten Angehörigen.

So vergingen die Jahre mit den großen Ereignissen der Nachkriegszeit und dem Wissen, daß man Vieles nicht gewußt haben konnte und mancher auch nicht alles glauben mochte. Alle Kameraden haben so empfunden und kamen daher gerne zu den Treffen.

Es fanden sich auch neue ehemalige Marineangehörige, die am „Stammtisch Blau“ interessiert waren. So trat 1951 Dr. Ernst Stutz, Oberstabsarzt a.D., dieser Vereinigung bei. Es kamen außerdem die Marinekameraden Walter Mattes, Kurt Dittmann, Johann Pein und Wilhelm Wüllenweber hinzu. Da keine Aufzeichnungen gemacht wurden, ist nicht nachzuvollziehen, wie die Stammtischabende verliefen. Im Schriftverkehr ist aber nachzulesen, daß KptLnt. a.D. Schlüter großer Dank gewidmet wurde, weil er in schwieriger Nachkriegszeit den Zusammenhalt der Kameraden ermöglicht hatte, so daß bei der Wiederzulassung des Deutschen Marinebundes der Ratzeburger Verein als eine der ersten Kameradschaften dem Bund beitreten konnte.

Mit Franz Schünemann als Vorsitzenden begann am 22.12.1952 der Marine-Verein Ratzeburg und Umgebung sein legales Bestehen nach der Gründung am 23.7.1925 fortzusetzen. Mitglieder waren damals die Kameraden Adam, Beumelburg, Bergmann, David, Dittmann, Ehlers, Globert, Göttsche, Käde, Kröger, Lorenzen, Mahnke, Mattes, Neubauer, Oldag, Pein, Rohde, Rohweder, Dr. Schlüter, Schwarz, Dr. Stutz, Voß, Wiegers und Wullenweber.

Es waren genau 25 Mann, die sich in kameradschaftlicher Verbundenheit zueinander gesellt hatten. Sie waren auch gewillt, weiterhin beieinander zu bleiben, um den alten Marine-Verein Ratzeburg und Umgebung mit neuem Leben zu erfüllen. Seither fanden monatliche Versammlungen statt, auf denen in erster Linie die Regularien zur Vereinsführung und die Verpflichtungen gegenüber der Landes- und Bundesleitung besprochen wurden; danach verblieb man zum gemütlichen Beisammensein.

Es gab viel aufzuarbeiten, zu berichten und zu erinnern.

Was war nur aus Deutschland geworden? Fragen über Fragen!

Warum all die vergeblichen Opfer an Menschen und Material? Allein in der Marine waren 120.000 Männer gefallen, 30.000 davon bei der U-Bootwaffe. Alle unsere Dickschiffe existierten nicht mehr, 840 U-Boote, 97 Zerstörer und Torpedoboote, 33 Minenleger und Hunderte von Minensuch-, Minenräum- und Geleitbooten sowie eine große Anzahl von Schnellbooten hatte dieser Krieg zur See gefordert.

Manch eines der Vereinsmitglieder war nur mit großem Glück davongekommen und schilderte seine Erlebnisse auf den Zusammenkünften.

Auch die Handelsschiffer wußten viel zu berichten: Sie waren unentwegt im Einsatz gewesen, um die Versorgung der Wirtschaft, der Wehrmacht und der Bevölkerung sicherzustellen. Manches Schiff ging durch Minen-, Bomben oder Torpedotreffer verloren.

Kameradenpflicht und Einsatz hatten überall zu unverbrüchlicher Treue und Hilfsbereitschaft geführt, was sich auch im Marine-Verein bewies.

Es ist leider nicht genau belegt, wer von den bis 1939 dem Verein angehörenden, zumeist älteren Mitgliedern, noch zum Kriegsdienst einberufen worden war. Nachprüfungen haben lediglich ergeben, daß der am 28.1.39 beigetretene Kamerad Hoefer als Korvettenkapitän 1945 in Dänemark gefallen war.

Weiter zu Jahr 1953

Zurück zur Chronik-Übersicht